Nadja Kuhn ist jetzt eine Eisenfrau

Roth/Plettenberg Seit gut zwei Jahren beschäftige die Plettenbergerin Nadja Kuhn der Gedanke Langdistanz Triathlon. Allerdings war diese Prüfung im Ausdauerdreikampf bisher für sie schier unvorstellbar. Doch wo ein Wille, da ein Weg und was bietet sich an, wenn das große Ganze vorerst zu groß erscheint? Kurzerhand die Summe in ihre Einzelteile zerlegen und sich peau a peau anähern.

Im letzten Jahr gelang dies bereits sehr gut als Kuhn einige virtuelle Triathlons bis zur Mitteldistanz absolvierte und antestete, wie realistisch der Traum vom Langdistanz Finish sein könne. Im September stand dann die Red-Bull Sebi-Triple-Challenge auf dem Programm. Bei diesem ebenfalls virtuellen Event galt es die einzelnen Disziplinen einer Langdistanz an drei aufeinanderfolgenden Tagen zu absolvieren. Nachdem das supergut funktioniert hatte, stand für die Plettenbergerin fest – das Risiko ist kalkulierbar und ein Startplatz in Roth muss her. Da Roth mit zu den Highlights in der Triathlonszene gehört, ist es so spät im Jahr nahezu unmöglich einen Startplatz zu bekommen. Ist das Rennen doch binnen weniger Minuten nachdem das Meldeportal geöffnet hat restlos ausgebucht. Allerdings gab es im Rahmen einer Nikolausaktion die Möglichkeit einen der heißbegehrten restlichen Startplätze für die Challenge Roth zu ergattern. Da das „dummerweise“ geklappt hat, wurde es jetzt ernst! „Es ist schon ein anderes Gefühl tatsächlich einen Startplatz zu haben, als wenn man einfach nur den Gedanken spinnt,“ berichtet Nadja Kuhn aufgeregt. Besonders sympathisch ist Kuhns Vorbereitung gewesen. Statt sich wie viele ambitionierten Triathleten einem strikten Trainingsplan zu unterwerfen, schaute die Plettenbergerin kurzerhand, wie sich die Vorbereitung am Besten in den Alltag integrieren lässt. Kuhn die seit 2007 Radsport betreibt sah hier ihre größte Stärke. Herausfordernd hingegen stellte sich das Freiwasserschwimmen und Laufen dar. Doch jeder, der einmal ein solches Ausdauerabenteuer in Angriff genommen hat weiß, wie wichtig die Einstellung dabei ist. Und diese stimmte bei Nadja Kuhn zu jeder Zeit. Trotz einigen Rückschlägen in der unmittelbaren Vorbereitung ließ sich die Ausdauerathletin nicht beirren, hielt an ihrem großen Traum fest und kämpfte sich eisern durch. Trotzdem stand bis kurz vor dem Wettkampf der Start auf der Kippe. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt. So wagte es Nadja Kuhn und stand Sonntag euphorisch an der Startlinie, bereit zu schauen – was so geht. Unterstützt wurde die Plettenbergerin von Nadine Truppat, die unter anderem als Staffelläuferin im ERDINGER Active Team startete und Annika Anger aus Iserlohn. Besondere Motivation erhielt Nadja Kuhn natürlich von ihrem Sohn Tom, der seiner Mutter stets Mut zusprach und zusätzliche Energiereserven freisetze. Gegen 9.00 Uhr fiel der Startschuss und Kuhn stürzte sich in die Fluten des Main-Donau-Kanals. Respekt und Angst vor der ersten Einheit sorgten für ein wenig Panik zu Beginn des Wettkampfs. Ruhig Atmen und sich an die zahlreichen Ratschläge der erfahrenen Triathleten erinnern. So meisterte Kuhn die Auftaktdisziplin innerhalb des selbst gesteckten Rahmens und entstieg nach 1:39,42 Stunden dem kühlen Nass. Jetzt konnte der Wettkampf beginnen, denn das Radfahren war und ist die entspannteste Disziplin für Nadja Kuhn. Da der Wetterbericht hochsommerliche Temperaturen angekündigt hatte, hieß die Taktik: Von Beginn an den Körper kühlen und ausreichend trinken. Pro Verpflegungspunkt wurde eine Flasche zum Kühlen und eine zum Auffüllen der Energiereserven verwendet. Bestens vorbereitet durch die zahlreichen Ausfahrten im Land der 1000 Berge konnte die erfahrene Radsportlerin die zweite Disziplin dann auch in vollen Zügen genießen. „Wenn man es gewohnt ist im Sauerland zu trainieren, sind die Sorgen vor den Anstiegen hier völlig unbegründet,“ stellte Kuhn fest. Was sich jedoch am Stimmungsnest Solarer Berg abspielt – beeindruckte die Sauerländerin sehr. Party pur – und ein kurzzeitiges Gefühl bei der Tour de France mitzufahren. „Ich konnte gar nicht mehr aufhören, im Kreis zu grinsen.“ Das Sahnehäubchen war dann am Kulminationspunkt die aufmunternden Rufe des Sohnes zu vernehmen. Auf der Laufstrecke dann übernahm der Kopf die Regie und sorgte für ein kontrolliertes Tempo, was angesichts der Vorbelastung der Temperaturen jetzt über der 30 Grad Grenze angeraten war. Es hieß nicht überpacen und im eigenen Tempo zu bleiben und nicht aufzugeben. Weiterhin nutzte Kuhn jede Verpflegung um die Körpertemperatur herunter zu kühlen und sich so gut es ging zu verpflegen. Die insgeheim angepeilte Zielzeit war inzwischen in der Sonne verdampft – doch Kuhn gab nicht auf und lief motiviert dem Finish entgegen. „Ich wollte ankommen und das zählte!“ Zahlreiche Athleten hatten sich das Rennen weniger gut eingeteilt oder die Körpersignale ignoriert. So wurde die Sauerländerin Zeuge von aufgebenden Teilnehmern, die sich aufgrund der Überlastung teils übergeben mussten. Interessant auch die „Ausfallquote von 20% an diesem Tag“. Nach 13:46,04 Stunden lief Nadja Kuhn jedoch stolz und glücklich im Hexenkessel in Roth ein. Getragen von der Stimmung und auf den letzten Metern gemeinsam mit ihren Sohn finishte Nadja Kuhn ihre erste Langdistanz im fränkischen Roth.

Wie fühlt man sich danach? „Ich habe mir im Vorfeld Gedanken gemacht, wie ich wohl reagiere, wenn ich ins Ziel laufe, ist es lautstarke Freude, sind es Tränen, breche ich zusammen vor Erschöpfung – aber es war eigentlich völlig anders, es war eine völlige Ruhe, eine Ruhe und ein ganz großes Glücksgefühl und ein tiefe Dankbarkeit, dass ich diesen Tag erleben durfte, dass ich gesund bin und zu einem kleinen Teil der Menschen gehöre, die diese Herausforderung gemeistert haben.“

Die Zeiten im einzelnen:

Schwimmen (3,8km): 1:39,42 Stunden

Velo (180km) 06:28,48 Stunden

Laufen (42,2km): 05:21,22 Stunden

Foto: Marathon Photos Live
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JÖRG RIESE

Ich lebe im Sauerland – liebe meine Familie, Freunde und das Leben – bin am liebsten draußen unterwegs und entdecke Neues – habe meist eine Kamera dabei – schreibe und erzähle leidenschaftlich gern Geschichten – werde unleidlich, wenn ich hungrig bin.

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